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Warteschule

Die Stifterin Anna Catharina Asmussen und August Friedrich Woldsen

HUSUM. Sie haben hart gearbeitet und nehmen das verbriefte Recht einer jeden Husumer Bürgerin und eines jeden Husumer Bürgers in Anspruch, ihr Vermögen nach dem Tod so anzulegen, wie es ihnen vorteilhaft erscheint. Anna Catharina Asmussen und Vetter Woldsen wissen, daß ihre Hinterlassenschaft an den Staat geht, wenn kein direkter Erbe vorhanden ist. Beide sind unverheiratet und kinderlos. Beide sind Kinder ihrer Familien, ihrer Vaterstadt und ihrer Zeit. Beide sind wirtschaftlich äußerst erfolgreich, von Haus konservativ, christlich und ihrer Zeit weit voraus. Sie investieren in die Zukunft, vergessen aber nicht das Gewesene. Kinder sind Zukunft, Witwen gehören zur Geschichte.

Spurensuche. Bekannt sind einige Eckdaten von beiden. Emilie Hamkens, die sich als Schriftstellerin („Wente Frese“) mit dem Leben in Husum auseinander setzte, outet Anna Catharina Asmussen und August Friedrich Woldsen als „verliebtes Paar“. Die Ringe sollen sie nicht tauschen. Erst im hohen Alter finden sie sich zu einem gemeinsamen Vermächtnis zusammen. Während die am 27. Mai 1793 in Husum geborene Tine als Kauffrau einen Gerste- und Hefehandel mit Waren aus der Bierbrauerei ihres Bruders betrieb und nach dessen Tod sein Geschäft fortsetzte, machte ihr „Verehrer“ in Hamburg-Eppendorf Karriere als Reeder, Großkaufmann und Präses des Hamburger Millitärkommisariats.

Auf dem Umweg über die gesammelte Korrespondenz, die der Dichter Theodor Storm mit seiner Braut Constanze Esmarch führte, gelingt es, postum etwas Licht in die Gründungszeit der „Warteschulen“, der heutigen Kindergärten, zu bringen. Bürgervorsteherin Birgitt Encke: „Um es gleich vorweg zu sage, Anna Catharina Asmussen hat die Warteschule nicht erfunden – auch nicht für Husum. In Wirklichkeit amtete sie quasi als gewissenhafte Sachwalterin für das Vermögen ihrer Familie und investierte in ein gemeinnütziges Projekt, daß ihr Vater für Husum angeschoben hatte.“

In Husum ist die Idee der Warteschule nicht neu, als August Friedrich Woldsen und Cousine Anna Catharina Asmussen 1859 Theodor Storms Vater aufsuchen, um ihr Vermächtnis notariell beglaubigen zu lassen. So ruft das Husumer Wochenblatt Nr. 13 am 30. März 1845 in einer Annonce Husumer Bürgerinnen und Bürger auf, für die „Warteschule“ zu sammeln. Die Verantwortung trägt Senator Asmussen, Bierbrauer und Kirchenvorsteher der Stadt Husum. Anna Catharina Asmussen steht kurz vor ihrem 52. Geburtstag. Ihr Bruder Christian Albrecht ist auf dem Weg, der größte Gräser- und Grundbesitzer des Amtes Eiderstedt zu werden. Ihr Bruder ist zweiter Bürgermeister der Stadt Husum und – zu dieser Zeit – Deichgraf Deichgraf des Porrenkooges.

 

ehemalige_Warteschule
Die Warteschule ist die Vorgängerin des heutigen Kindergartens. Warteschulen sprießen nach Ende der Napoleonischen Besatzungszeit wie Pilze aus dem Boden. Hamburg macht 1830 im Norden den Anfang. Ihr Zweck, die Sorge arbeitender Eltern um ihre Kinder von 2 bis 7 Jahren abzunehmen. Encke: „Die Kinder bekamen ein gesundes, warmes Mittagessen, was für viele arme Familien nicht selbstverständlich war zu dieser Zeit.“ In der Regel waren es Frauen aus der Oberschicht, die die Warteschulen organisierten, indem sie andere Frauen regelmäßig für einige Stunden zur ehrenamtlichen Mitarbeit verpflichteten.


Die Warteschule war nicht unumstritten, so behagte es Theodor Storm überhaupt nicht, daß seine Constanze in Segeberg, wo ihr Vater Bürgermeister war, sich in der dortigen Warteschule engagierte. Der Dichter sprach in bezug auf die Warteschulen von einer „Modeerscheinung“ und „Unzucht mit der Wohltätigkeit“. Encke: „Storm selbst besuchte bereits mit vier Jahren die Schule“.

Anna Catharina Asmussen, geboren am 27. Mai 1793 in Husum, wollte als unverheiratete Tochter des Husumer Senators, so wie es auch Storms Constanze tat, die Idee ihres Vaters verwirklichen. Sie steuerte zum Vermächtnis 64.000 Thaler bei. Dazu kamen zahlreiche Landbesitzungen, fast 140 Hektar von Seiten der Stifterin. Zuletzt lebte sie am Markt, mit Blick auf den Platz, wo heute der Tine-Brunnen steht, der am 5. Oktober 1902 als „Asmussen-Woldsen-Brunnen“ von den Bürgerinnen und Bürgern Husums als Dank für die Errichtung des Asmussen-Woldsen Vermächtnisses errichtet wurde. Sie starb 75-jährig am 14. November 1868 in Husum und fand ihre letzte Ruhestätte auf dem Klosterfriedhof. Mit ihr ist die Familie Asmussen, deren Stammbaum in Husum bis ins Jahr 1585 zurückverfolgt werden kann, erloschen.

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